In Deutschland gibt es zwei Hauptstrafen: die Geldstrafe und die Freiheitsstrafe. Kann eine Geldstrafe nicht bezahlt werden, wird an ihrer Stelle eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt (§ 43 StGB). Die Umrechnung erfolgt im Verhältnis 2:1. Ein Tag Haft tilgt zwei Tagessätze der Geldstrafe. Die Ersatzfreiheitsstrafe (EFS) ermöglicht somit die Vollstreckung einer Strafe bei dem Personenkreis, bei dem die Geldstrafe nicht beigetrieben werden kann.
Gleichzeitig ist die Ersatzfreiheitsstrafe in dieser Funktion höchst umstritten, da nach dem Schuldprinzip die Strafe das Maß der Schuld nicht übersteigen darf. Die Freiheitsstrafe ist aber gegenüber der Geldstrafe das schwerere Übel. Während das Gericht im Rahmen der Strafzumessung eine Geldstrafe für angemessen hält, wird die härtere Freiheitsstrafe später nur aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen vollstreckt. Die strafrechtliche Diskussion beschäftigt sich daher seit langem mit der Frage, wie diese Benachteiligung verhindert und die Ersatzfreiheitsstrafe vermieden werden kann.
Die Ersatzfreiheitsstrafe ist keine Randerscheinung, sondern wird im großen Umfang vollstreckt. Die genaue Zahl der jährlich vollstreckten Ersatzfreiheitsstrafen wird nicht veröffentlicht. Schätzungen gehen von mehr als 40.000 Fällen pro Jahr aus. Die Betroffenen weisen vielfältige soziale und gesundheitliche Probleme auf. Dazu gehören neben einer prekären finanziellen Situation auch Wohnungslosigkeit, die Abhängigkeit von Suchtmitteln oder auch psychische Beeinträchtigungen.
Die Vollstreckung der EFS kann durch Zahlung der Geldstrafe abgewendet werden. Da der Personenkreis, der von EFS bedroht ist, überwiegend in prekären Lebensverhältnissen lebt und Schwierigkeiten hat, Ratenvereinbarungen einzuhalten, gibt es mittlerweile bundesweit zahlreiche Projekte („Geldverwaltung statt Ersatzfreiheitsstrafe“), die die Betroffenen in dieser Situation unterstützen. Diese unterstützen sowohl bei der Kommunikation mit der Staatsanwaltschaft und dem Jobcenter als auch bei der Planung der monatlichen Einnahmen und Ausgaben, damit die Ratenvereinbarungen eingehalten werden können.
Eine weitere Möglichkeit ist die Leistung freier gemeinnütziger Arbeit (Art. 293 EGStGB). Die freie Arbeit muss bei der Staatsanwaltschaft unter Nachweis der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe beantragt und von dieser bewilligt werden. Die Tagessätze werden dann durch unentgeltliche gemeinnützige Arbeit von 4 bis 6 Stunden täglich abgegolten. Diese Form der Tilgung ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. Auch hier gibt es Projekte der Straffälligenhilfe, die die Betroffenen bei der Ableistung der Arbeit in vielfältiger Weise unterstützen („Schwitzen statt Sitzen“). Freie Arbeit ist mittlerweile auch überwiegend nach Antritt einer Ersatzfreiheitsstrafe in der JVA selbst möglich („day-by-day-Prinzip“).
Auf der Seite „Wo finde ich Hilfe?“ können Sie bundesweit nach Einrichtungen und Angeboten unter dem Stichwort „Haftvermeidung“ suchen.
Neben diesen bestehenden Möglichkeiten werden weitere gesetzliche Änderungen gefordert. Der Gesetzgeber hat die Ersatzfreiheitsstrafe zuletzt im Jahr 2023 reformiert und den Umrechnungsmodus dahingehend geändert, dass sich die Haftdauer halbiert. Es werden jedoch weitergehende Änderungen gefordert, wie z.B. die Beschränkung der Ersatzfreiheitsstrafe auf Fälle der vorsätzlichen Zahlungsverweigerung. Es wird auch vorgeschlagen, ganz auf EFS zu verzichten.
In Deutschland werden keine Zahlen veröffentlicht, wie viele Ersatzfreiheitsstrafen pro Jahr vollstreckt werden. Stattdessen werden Stichtagszahlen veröffentlicht. Diese geben an, wie viele Personen jeweils am Ende eines Monats in einer Justizvollzugsanstalt wegen einer EFS inhaftiert waren. In der folgenden Tabelle sind die Werte jeweils vom 31. März in den Jahren 2003 bis 2024 aufgeführt. In den Jahren 2020 bis 2022 ist zu berücksichtigen: Während der Corona-Pandemie haben die Justizverwaltungen den Vollzug der EFS zeitweise ausgesetzt. Aus diesem Grund ist die Belegung in dieser Zeit deutlich zurückgegangen.
BAG-S (2022):
Das Kommissariat der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro in Berlin, der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe e.V. (BAG-S) haben eine gemeinsame Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts erarbeitet.
BAG-S (2019):
Die BAG-S hat sich im Jahr 2019 in einer Stellungnahme mit den verschiedenen Problemen beschäftigt, die zur Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen führen und Verbesserungsvorschläge unterbreitet.