Die öffentliche Diskussion ist stark von der Frage nach dem Zusammenhang zwischen Kriminalitätsentwicklung und Zuwanderung geprägt. Häufig wird versucht, diese Frage mit den Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) zu beantworten. In dieser ist der Anteil der Nichtdeutschen (Ausländer und Staatenlose) an der Gesamtzahl der Tatverdächtigen höher als ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung. Die kriminologische Forschung ist sich jedoch einig, dass diese Daten keinen einfachen Zusammenhang zwischen Nationalität und Delinquenz zulassen. Vielmehr müssen Faktoren wie Geschlecht und männliches Dominanzverhalten, Alter und jugendliche Sozialisation, Wohnort, soziale Verhältnisse und Zugangschancen, Gewalterfahrungen oder das Erreichen einer sicheren Einbindung in soziale Strukturen berücksichtigt werden.
Auch im Strafvollzug hat der Anteil von Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Daraus ergeben sich für die Straffälligenhilfe insgesamt eine Reihe von Herausforderungen, die ein hohes Maß an Professionalität erfordern, um mit den unterschiedlichen Sprachen, Kulturen und Lebensgeschichten angemessen umzugehen und dem Ziel der Resozialisierung gerecht zu werden.
Eine zentrale Herausforderung ist die Verständigung. Die Inhaftierung mit den vielen Regeln des Anstaltsalltags und die gleichzeitige Unterbringung mit vielen anderen Menschen auf engem Raum stellt für Menschen, die die deutsche Sprache nicht oder nur unzureichend verstehen, eine große Herausforderung dar. Dies gilt auch für die Vollzugsbediensteten, die Abläufe erklären und Anliegen verstehen müssen. Auch für die Gespräche in denen die Tat aufgearbeitet werden soll, braucht es eine gute Basis der Verständigung. Hierzu sind Sprachmittler:innen oder Dolmetscher:innen im Vollzug notwendig. Gleichzeitig dienen Sprachkurse dazu, entsprechende Verständigungsbarrieren abzubauen. Dabei ist zu beachten, dass der gesetzliche Auftrag der Resozialisierung für alle Inhaftierten gilt – auch wenn sie in ein anderes Land abgeschoben werden sollen.
Aber auch für Personen ohne deutschen Pass gelten eine Reihe besonderer gesetzlicher Regelungen. So kann die Verurteilung zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe erhebliche Auswirkungen auf das Aufenthaltsrecht in Deutschland haben, so dass Abschiebungen drohen oder aus dem Vollzug heraus vollzogen werden. Gleichzeitig haben Ausweisungs- oder Abschiebungsentscheidungen häufig negative Folgen für die Resozialisierungspraxis, wenn die Gewährung von Vollzugslockerungen oder die Verlegung in den offenen Vollzug seltener erfolgt.
Auch die Entlassung in die Freiheit stellt eine schwierige Situation dar, da Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit der Zugang zu existenzsichernden Leistungen, aber auch zu Arbeit oder Wohnraum aufgrund ihres Aufenthaltsstatus häufig erschwert oder verwehrt wird.
Die psychische Situation von Menschen, die aus Krisen- und Kriegsgebieten fliehen mussten, bedarf besonderer Aufmerksamkeit. Gewalterfahrungen stellen für die Betroffenen eine hohe Belastung dar und erhöhen das Risiko, psychisch zu erkranken. Die Inhaftierung stellt einen zusätzlichen Stressfaktor dar, so dass in der Arbeit der Straffälligenhilfe ein sensibler Umgang mit Traumatisierungen und psychischen Befindlichkeiten notwendig ist. Dabei sind insbesondere kulturelle Unterschiede in der Erklärung und im Umgang mit psychischen Beeinträchtigungen zu berücksichtigen, damit diese erkannt und behandelt werden können.
Informationsdienst Straffälligenhilfe (Heft 1, 2025):