Schuldnerberatung im Strafvollzug

Eine neue Studie hat die individuelle Schuldensituation von inhaftierten Personen in Bayern untersucht. Dazu wurden Fachkräfte des Sozialdienstes der JVAen und der externen Schuldnerberatung befragt. Die Ergebnisse liegen jetzt vor. Wir haben aus diesem Anlass ein kurzes Interview mit einem der Autoren geführt.

Der Bericht „Schuldensituation und Schuldenregulierung bei Inhaftierten in Bayern“ wurde von Prof. Dr. Christian Ghanem und Niklas Ippisch von der Technischen Hochschule Nürnberg erstellt. Beauftragt wurde die Untersuchung durch den Kriminologischen Dienst des bayerischen Justizvollzugs.

 

Fünf Fragen an Herrn Prof. Dr. Christian Ghanem zum Forschungsprojekt: Schuldensituation und Schuldenregulierung bei Inhaftierten in Bayern

BAG-S: Lieber Christian Ghanem, die Studie basiert auf einer Umfrage unter Fachkräften des Sozialdienstes und der externen Schuldenberatung in bayerischen Justizvollzugsanstalten. Gibt es in Bayern ein flächendeckendes Angebot an Schuldnerberatung in den JVAen?

Christian Ghanem: Ja, in allen bayerischen Justizvollzugsanstalten ist eine externe Schuldnerberatung durch die Freie Wohlfahrtspflege vertreten. Dies gilt jedoch nicht für die Abschiebungshaft in Eichstätt. Dort scheint es kein entsprechendes Angebot zu geben.

 

BAG-S: Woraus resultieren die Schulden der inhaftierten Personen hauptsächlich?

Ghanem: Das ist ziemlich eindeutig. Die Überschuldung ergibt sich hauptsächlich aus den Kosten, die durch das Strafverfahren verursacht werden. D.h. wenn hier ein Weg gefunden werden kann, diese Schulden effektiv zu reduzieren, könnte das die Rahmenbedingungen für eine gelingende Resozialisierung unmittelbar verbessern, zumal der Zusammenhang zwischen Überschuldung und Resozialisierung in internationalen Studien gut belegt ist.

 

BAG-S: In welchem Umfang gelingt aktuell die Schuldenregulierung aus Sicht der Fachkräfte?

Ghanem: Eine Antwort auf diese Frage lässt sich nicht unmittelbar aus unserer Studie ableiten. Ein Grund ist, dass Erfolg in der Beratung auch nicht einfach zu messen ist. Die Befragten berichten aber durchaus davon, dass die Beratungen, wenn sie mal angelaufen sind und die Inhaftierten motiviert sind Verantwortung für die Regulierung zu übernehmen, die Prozesse erfolgreich verlaufen. Natürlich kann am Ende nicht immer eine Entschuldung stehen. Als wesentlicher Erfolg kann auch sein, dass die psychosoziale Belastung durch die finanziellen Schwierigkeiten reduziert wird und die Betroffenen Wegen kennen selbstbestimmt auch wieder wirtschaftliche Angelegenheiten zu regeln und keine neuen Schulden auflaufen lassen.

 

BAG-S: Welche Vorschläge machen die Fachkräfte, um die Schuldentilgung zu verbessen?

Ghanem: Als wesentlicher Punkt zeigt sich der Zugang zur Hilfe. Beispielsweise scheint nicht in allen Haftanstalten gewährleistet zu sein, dass mit Haftantritt die Krankenversicherungen entsprechend informiert werden. So häufen sich immer wieder unnötige Schulden an. Zudem sei eine zügige Anbindung an die Schuldnerberatung nicht immer gegeben. In manchen Haftanstalten hätten die Gefangenen lange Wartezeiten einzurechnen, in denen sich neue und oft vermeidbare Schulden ansammeln. Als wichtig wird auch die Vermittlung von Kompetenzen in wirtschaftlichen Angelegenheiten erachtet. Ein flächendeckendes Angebot von entsprechenden Gruppenangeboten wird als wesentlicher Baustein für die Wiedereingliederung angesehen. Gleichzeitig gab etwa die Hälfte der befragten Fachkräfte an, dass in ihren Anstalten keine entsprechenden Angebote bestehen würden. Viele Fachkräfte wünschen sich auch klarere Regelungen zu den Möglichkeiten zur Freigabe des Geldes der Inhaftierten zum Zweck der Schuldenregulierung. Hier scheint es in den Anstalten unterschiedliche Praktiken zu geben.

 

BAG-S: Aktuell hat die Bayerische Staatsregierung einen Entwurf zur Neuregelung der Gefangenenvergütung vorgelegt. Darin wird die Eckvergütung erhöht und die Möglichkeit geschaffen, Verfahrenskosten abhängig von der Arbeitsleistung zu erlassen. Reicht dies aus?

Ghanem: Der zentrale Befund der Studie ist der hohe Stellenwert von Verfahrenskosten für die Überschuldungssituation. Daher ist es zu begrüßen, dass eine Möglichkeit geschaffen wird, durch Arbeit und therapeutische Angebote einen Teil davon erlassen zu bekommen. Ein wesentliches Problem sehe ich darin, dass vorgeschlagen wird, dass nur 5% dieser Kosten für 6 Monate Gefangenenarbeit erlassen werden. In unseren Ergebnissen können wir klar sehen, dass diese Schuldenart auch bei den Personen die bedeutendste ist, die eine Freiheitsstrafe von bis zu 2 Monaten verbüßen. Das ist absolut betrachtet die größte Gruppe. Etwa zwei Drittel der jeden Monat in Bayern inhaftierten Personen in Strafhaft hätte hier keine nennenswerten Möglichkeiten für einen Verfahrenskostenerlass. Daher wäre mindestens eine Angleichung an Nordrhein-Westfalen geboten, wo man bereits für 3 Monate Arbeit 5% der Verfahrenskosten erlassen bekommen soll. So wie es aussieht wird leider mit der anstehenden Änderungen auch die Chance vertan den Zugang zur Rentenversicherung für die Gefangenen zu ermöglichen. Auf Bundesebene scheint es hier schon lange eine Anerkennung dieses Veränderungsbedarfs zu geben, wobei die Länder auch aufgrund des damit einhergehenden Ressourcenaufwands diesen Schritt nicht gegangen sind. Wenn wir aber der Gefangenenarbeit mehr Anerkennung zukommen lassen und die Chancen einer besseren Resozialisierung nach Haftentlassung erhöhen wollen, wäre dies ein wichtiger und schon lange ausstehender Schritt.

 

BAG-S: Vielen Dank!

 

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