Wohnen gehört zu den elementarsten Bedürfnissen des Menschen. Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung sind daher als Teil der physischen Existenz im Rahmen des menschenwürdigen Existenzminimums auch verfassungsrechtlich garantiert. Unter den vielen Gründen, die zur Wohnungslosigkeit führen können, stellt die Inhaftierung einen wichtigen Grund dar. Nach dem Wohnungslosenbericht der Bundesregierung ist bei 12 Prozent der Personen die Inhaftierung Ursache für die Wohnungslosigkeit.
Dass die prekäre Wohnsituation auch nach der Haftentlassung ein großes Problem darstellt, zeigen auch die Ergebnisse der Lebenslagenstudie der BAG-S. Danach lebt mehr als ein Drittel der Haftentlassenen, die die Angebote der Freien Straffälligenhilfe in Anspruch nehmen, in prekären Wohnverhältnissen. Sie haben keinen eigenen Mietvertrag und sind auf die Wohnungsnotfallhilfe angewiesen.
Aber auch umgekehrt sind Menschen ohne festen Wohnsitz einem erhöhten Risiko ausgesetzt, verhaftet und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt zu werden. Können sie in einem Ermittlungsverfahren keine Adresse angeben, droht ihnen die Untersuchungshaft. Verfügen sie nicht über ausreichende finanzielle Mittel, droht ihnen eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nicht bezahlte Geldstrafe. Auf diese Weise entsteht ein Drehtüreffekt zwischen Inhaftierung und Wohnungslosigkeit, der weder aus sozial- noch aus kriminalpolitischer Sicht gewollt sein kann.
Um dem entgegenzuwirken sind im Zusammenhang von Wohnen und Inhaftierung zwei wichtige Ziele zu nennen:
Die Sicherung eines vorhandenen Mietverhältnisses ist bei der Inhaftierung ein wichtiges Ziel. Hierzu ist es notwendig, dass direkt bei der Aufnahme eine effektive Klärung der Wohnverhältnisse und Handlungsbedarfe durch den Sozialdienst der JVA oder einen freien Träger erfolgt. Sofern die Mietzahlung nicht gesichert ist, sollte eine zügige Beantragung der Mietkostenübernahme erfolgen. Denn bereits nach zwei Monaten Mietrückstand kann die Kündigung ausgesprochen werden.
Die BAG-S hat ein idealtypisches Vorgehen zur Mietkostenübernahme entwickelt. Ziel ist es, dass Mietkostenübernahmen nicht an komplizierten Anträgen oder unklaren Zuständigkeiten von Behörden scheitern. Auch sind die vielerorts gesetzten zeitlichen Begrenzungen (z.B. maximal sechs Monate) nicht mit dem Urteil des Bundessozialgerichtes aus dem Jahr 2013 zu vereinbaren, welches sich gegen eine zeitliche Begrenzung ausgesprochen hatte.
Die Entlassung aus dem Strafvollzug bedeutet für die Betroffenen eine umfassende Veränderung in allen Lebensbereichen. Im Bereich Wohnen gibt es große Unterschiede, ob vorhandener Wohnraum zur Verfügung steht und/oder eine Rückkehr in die Familie erfolgt oder ob aus der Haft heraus eine Wohnung oder Unterkunft gesucht werden muss. Eine Neuanmietung ist aufgrund des angespannten Wohnungsmarktes in vielen Regionen aus der Haft heraus nicht möglich, so dass Angebote der Wohnungslosenhilfe zum Tragen kommen.
Aus diesen Gründen sind folgende Bereiche besonders wichtig:
Auf der Seite „Wo finde ich Hilfe?“ können Sie bundesweit nach Einrichtungen und Angeboten suchen, die Sie zum Thema Wohnformen und Wohnungssuche nach der Haft beraten können.
Weitere Informationen und praktische Tipps zum Wohnen finden Sie auch in unserer Broschüre „Wegweiser für Inhaftierte, Entlassene und deren Familien“, den inhaftierte Personen kostenlos bestellen können.
BAG-S Vortrag (2025)
Am 20. und 21. März 2025 hat die jährliche Fachtagung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. “Aktuelle Fragen der Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten” in Hannover stattgefunden. Ein Schwerpunkt der Tagung waren die Herausforderungen und Lösungsansätze im Übergangsmanagement.
BAG-S (2025)
Um den Einfluss der Inhaftierung auf die Wohnungslosigkeit näher zu untersuchen und Lösungsansätze zu entwickeln, hat die BAG-S eine Umfrage an alle Landesjustizministerien gerichtet, in der Daten zur Wohnsituation von inhaftierten und entlassenen Menschen sowie Maßnahmen zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit abgefragt wurden. Im Folgenden werden die Ergebnisse dargestellt. Im Anschluss werden daraus abgeleitete Handlungsempfehlungen zur Vermeidung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit bei Inhaftierung vorgestellt.
BAG-S FA Frauen (2020):
Viele straffällig gewordene Frauen* haben ihre Wohnung durch die Inhaftierung verloren oder lebten bereits davor in ungeregelten und/oder abhängigen bzw. prekären Wohnverhältnissen. Der Fachausschuss hat sich dieser Problematik angenommen und Forderungen für eine Versorgung von Wohnraum für straffällig gewordene Frauen* aufgestellt.